Warum du Emotionen benutzt
Wut, Trauer, Aufregung, Angst, Zorn, Schamgefühl, Verachtung oder Schuldgefühle sind alles unangenehme Emotionen, denen du im Laufe deines Lebens bereits begegnet bist.
Neuer Tag - Alte Gefühle
Sobald du morgens aufstehst und dein Bewusstsein langsam erwachst, achtest du auf dein Empfinden. Du achtest auf deine Tagesverfassung. Gestern fühltest du ich noch motiviert und guter Laune, während du heute eher Mühe damit hast, dich gut zu fühlen.
„Irgendwie ist heute nicht mein Tag“
„Heute geht alles schief“
„Bin ich froh, wenn der Tag vorbei ist“
Solche oder ähnliche Sätze spielen sich in deinem Kopf ab, während du darin versucht bist, deine Antriebslosigkeit oder den heutigen Mangel an „Lebensfreude“ zu analysieren.
Du beginnst jeden Tag mit einer neuen emotionalen Verfassung.
Beziehung
Treffen sich zwei oder mehr Personen, wird so gleich nach dem gegenseitigen Befinden gefragt.
„Wie geht es dir heute“?
„Na, bist du fit“?
„Alles klar“?
Wir möchten gerne in Erfahrung bringen, wie es unserem Gegenüber geht, häufig mit dem Hintergedanken, selbst nach dem persönlichen Empfinden gefragt zu werden. Es ist uns wichtig, dass wir
uns anderen mitteilen können, damit wir uns angenommen fühlen. Wir wollen uns mit anderen
verbunden fühlen.
Von Zorn und Wut
Treffen zwei Menschen aufeinander die unterschiedliche Meinung sind, entsteht schnell eine Diskussion darüber, welche der beiden Ansichten die förderlichere ist. Es wir über ein Thema und eine Meinung diskutiert. Diese Diskussion zeichnet sich dadurch aus, dass der eine, den anderen mit Argumenten für seine eigene Sichtweise gewinnen will, indem er ihn davon überzeugt, dass diese, die „Richtige“ ist.
Häufig steigern sich Diskussionen zu erhitzten Kämpfen, die so weit führen, bis sich Personen gegenseitig anschreien, beschimpfen oder sich schlimmstenfalls an die Gurgel gehen. Es entsteht ein Konflikt. Niemand ist mehr bereit von der eigenen Meinung abzuweichen und versucht mit allen Mitteln, sein Gegenüber Mundtot zu machen. Sobald eine fachliche
Diskussion die Ebene der „Logik“ verlässt, treten Emotionen zu Tage, von welchen einer oder beide der Diskussionspartner ergriffen werden.

In einem früheren Artikel habe ich die neurologischen Ebenen nach Robert Dilts zur Verdeutlichung verwendet um die Schadentiefe von Kritik zu verbildlichen. Hier nochmal ein kurzer Rückblick.
Die Ebenen von Kritik und Emotion
Kritik kann dich auf unterschiedlichen Ebenen treffen.
Ebenen nach Dilts | Beispiele: Kritik von Partner |
Umgebung und Umwelt | „Die Wohnung sieht so dreckig aus”! |
Verhalten | „Du hast mir versprochen, dass du die Wohnung aufräumst und hast es trotzdem nicht getan, das nervt mich extrem“! |
Ressourcen und Fähigkeiten | „Du hast es (wieder) nicht geschafft, die Wohnung aufzuräumen, weil du anderes für wichtiger hältst! |
Werte, Überzeugungen und Glaubenssätze | „Dir ist es wohl völlig egal, wie es hier aussieht und du glaubst auch noch, dass ich dir deine Sachen noch hinterher räume!“ |
Identität | „Du bist so faul!“ |
Das Gleiche zählt auch für die von dir geäusserte Kritik an einer anderen Person!
Versuche Kritik immer auf der Ebene des Verhaltens anzunehmen und selbst anzubringen!
Jede weitere Ebene, welche tiefer liegt, führt dazu, dass sich dein Gegenüber verletzt fühlt. Folge: Ein Gespräch verhärtet sich – Das finden einer Lösung wird erschwert oder nicht mehr möglich.
Der Gegenüber macht mich wütend
In einer Diskussion können sich schnell unterschiedliche Emotionale Zustände dazugesellen.
Beispielsweise wirst du wütend auf dein Gegenüber, da er dir scheinbar nicht richtig zuhört, dich
unterbricht oder einfach nicht auf deine Meinung eingeht. Enttäuschung wird empfunden, wenn ein von dir gewünschtes Resultat nicht eingetreten ist oder dein Gegenüber anders handelt als von dir erwartet. Nervt dich dein Gegenüber mit seiner Art und seinem Verhalten, fühlst du eine Ungeduld in dir. Du wirst wütend.
Ebenen
Verlassen Diskussionen die Ebene des Verhaltens, dauert es nicht lange, bis sich einer der beiden Parteien verletzt und gekränkt fühlt. Sobald Kritik auf der Ebene von „Glauben“ oder „Identität“ geäussert wird, verhärtet sich der Gegenüber. Die Diskussion verläuft nicht mehr flexibel, weich und in einer gegenseitigen Wechselwirkung, sondern verhärtet sich. Es geht ab diesem Punkt nicht mehr darum, einen Kompromiss oder ein Gegenseitiges Fundament zu schaffen, sondern darum, den anderen zu „vernichten“. Man wird von Wut überrannt. Die Emotionen kommen hoch und kochen im schlimmsten Fall über.
Eskalationsstufen
G. Beakwell definierte 6 Phasen im „Stressmodell eines gewalttätigen Ereignisses“
Phase 1 – Trigger – auslösendes Ereignis
Phase 2 – Eskalation
Phase 3 – Krise
Phase 4 – Entspannung
Phase 5 – Post Depression
Phase 6 – Aufarbeitung
Persönlich bin ich kein allzu grosser Freund, wenn Verhalten systematisiert und verallgemeinert wird. Dieses Modell eignet sich jedoch dazu, die unterschiedlichen Ebenen eines Konflikts bzw. die Ebenen, wie wir mit Stress & Gewalt umgehen, zu verdeutlichen.
Erregungsniveaukurve

Zu Beginn wird das Verhalten gezielt eingesetzt. Du sprichst mit einer bestimmten Absicht mit deinem Gegenüber. Wird keine gegenseitige Lösung gefunden oder der Konflikt verlagert sich auf eine tiefere Ebene,
dann wechselt der Konflikt in das „Typ B Verhalten. Hier ist es den Gesprächspartnern nicht mehr
möglich fachlich zu bleiben. Es folgen Anspielungen, Sticheleien, negative Bemerkungen oder
provozierende Phrasen… In dieser Phase werden die Gesprächspartner von emotionalen Regungen überfallen. Sie werden von
Wut ergriffen oder fühlen Zorn auf den Gegenüber.
Ab Typ C wird ein Verhalten gezeigt, welches den Gegenüber nur noch vernichten möchte. Es wird gebrüllt, beschuldigt, in die Opfer-, oder Angriffshaltung gewechselt. Es ist KEINE rationale Diskussion
mehr möglich. Emotionen gewinnen die Oberhand!
Alles ist Emotion
Während wir Emotionen wie Freude, Dankbarkeit, Zufriedenheit, Interesse, Hoffnung, Stolz,
Vergnügen, Inspiration, Ehrfurcht und Liebe als angenehm empfinden und daher gerne fühlen, fallen uns Emotionen wie Wut, Zorn, Trauer und Angst um einiges schwerer zu akzeptieren und auszuhalten. Wir wollen uns schließlich nicht schlecht fühlen. Diese negativen Emotionen haben einen bedrohenden Charakter. Zum einen scheinen sie dich mit Wucht in ihre Kontrolle zu bringen und auf der anderen Seite
verbindest du negative Erinnerungen und Erfahrungen aus deiner Vergangenheit mit diesen Gefühlszuständen, welche die entsprechenden Bilder in einem inneren wieder aufploppen lassen.
Warum es dir schwer fällt, negative Emotionen zu fühlen, erfährst du hier.
Da du dich gut fühlen möchtest, bist du gewillt, alle negativen Emotionen und Eigenschaften, welche du an dir oder anderen ablehnst in deinem Unterbewussten zu belassen. Du verdrängst.
Nach dem Konflikt
Nach einem Konflikt entschuldigt sich einer oder beide der Parteien beim Gegenüber. Oder die Fronten haben sich so sehr verhärtet, dass keiner von beiden bereit dazu ist, den ersten Schritt zu machen, damit wieder eine gemeinsame Ebene gefunden werden kann. Die Emotionen haben dich aus ihren Klauen herausgelassen, du
bist nicht mehr durch sie geleitet und fremdbestimmt.
Switch
Aber…. stimmt das so wirklich?
Alfred Adler, der Begründer der Individualpsychologie und einer der drei grossen Urväter der Psychologie
neben S. Freud und C.G.Jung, ging davon aus, dass Emotionen uns nicht einfach überkommen, sondern wir diese aktiv benutzen um etwas bestimmtes zu erreichen!
Wir benutzen unsere Emotionen!
Stell dir folgendes Szenario vor:
Du streitest dich lautstark mit deinem Partner, ihr beschuldigt euch, macht euch Vorwürfe und ihr fühlt euch beide durch Wut, Zorn und dem Bedürfnisse dem anderen mal so richtig die Meinung sagen zu wollen gelenkt und gesteuert.
Angenommen das Telefon klingelt und du nimmst den Anruf entgegen…
Wenn du wirklich durch eine Emotion beherrscht werden würdest, dann müsstest du die Person in der anderen Leitung ebenfalls mit dem gleichen Verhalten, welches du deinem Partner gegenüber zeigst, konfrontieren.
Aber du redest in einem ruhigeren Ton und sagst vielleicht, dass gerade ein schlechter Zeitpunkt ist und du
zurückrufen wirst.
Natürlich spürst du Wut und Zorn auf deinen Partner, aber du wirst nicht durch diese Emotion beherrscht.
Du verendest sie, um etwas bestimmtes zu bekommen!
Emotionen verleihen Nachdruck
Du bestellst im Restaurant mit Freunden etwas zu Essen. Der Kellner leert dir aus Versehen beim Servieren ein Glas Wein über deine Hose. Er entschuldigt sich mehrfach für das Versehen. Du stehst auf und machst ihn vor der versammelten Mannschaft lautstark darauf Aufmerksam, was er doch für ein Idiot ist. Du schreist ihn an
und zeigst ihm, dass er zu weit gegangen ist. Was aber hast du von dieser Emotion?
Der Kellner hat sich bereits entschuldigt und hätte bestimmt alles ihm Mögliche unternommen, damit er den Schaden, welchen er (nicht mit böser Absicht) verursacht hat, wieder korrigieren kann. Sprichst du mit deinen Freunden, welche mit dir im Restaurant sind, ebenfalls in dem Ton weiter, wie mit dem Kellner? Nein. Du bist nicht durch deine Emotionen gesteuert!
Alternativen
Angenommen du hättest in dieser Situation ruhig reagiert, aber der Kellner würde eine schnippische
Bemerkung darüber machen, dass du im Weg standest und ihm doch einfach platz machen sollst… wie würdest du reagieren?
Du würdest vermutlich zur Höchstform auflaufen. Du würdest ihm lautstark deine Meinung
mitteilen und ihm diese zu verstehen geben. Du wehrst dich gegen diese Ungerechtigkeit und das unverschämte Verhalten des Kellners, in dem du dich verbal verteidigst. Mal abgesehen davon ob du im Recht bist oder nicht, du benutzt die Emotion, um deinem Gesagten Nachdruck zu verleihen und um beim Kellner eine Reaktion
hervorzurufen. Hättest du dieses Verhalten still hingenommen, hätte sich der Kellner vermutlich nicht darum bemüht, seinen verursachten Schaden wieder zu revidieren. Da du ihm lautstark begegnest ist er mit einer neuen Situation konfrontiert, auf die er nun anders reagieren muss.
Vielleicht war die Absicht deiner Wut, ihn zur Rede zu stellen, damit er sich respektvoller dir gegenüber verhält.
Jede Emotion verfolgt eine Absicht
Betrachten wir Emotionen mit diesem Fokus, verfügst du über die Macht, deine Emotionen bewusst einzusetzen.
Du bist hierdurch nicht Opfer deiner Emotionen.
Jemand erkundigt sich nach deinem Befinden und du antwortest, „Naja es ging schon mal besser“, dann
verfolgst du durch diese Aussage die Absicht dass dich dein Gegenüber in Ruhe lassen -, oder sich nach dem
Grund erkundigen soll.
Alles Verhalten, welches wir zeigen, verfolgt immer eine bestimmte Absicht!
Emotionen sind wie Benzin, welche der entsprechenden Absicht Energie und Ausdruck verleihen.
Ein Arbeitskollege fragt dich, ob du bereit wärst, ihm ein Projekt abzunehmen. Du antwortest „Nein“. Er lässt nicht locker und fragt nochmal nach. Du verneinst erneut. Als er das dritte Mal fragt wirst du lauter. Beim sechsten Mal würdest du ihm vermutlich lautstark begegnen und ihn zur Rede stellen, was er an deinem Nein nicht
verstanden hat.
Du benutzt deine Emotion, um deinem Gesagten, Nachdruck zu verleihen, um deine Absicht zu erreichen, dass er
das „Nein“ akzeptiert.
Denke mal darüber nach, in welchen Lebensbereichen und Situationen, du Emotionen aktiv benutzt um eine
bestimmte Absicht zu erreichen!
Dieses Thema ist komplex und spannend. Daher werden noch mehr Artikel zu dem Thema erscheinen, welche das Verständnis vertiefen werden.
Selbstreflexion
Welche Emotionen empfindest du im Laufe eines Tages?
Bei wem, in welcher Situation?
Warum fühlst du diese Emotion in genau dieser Situation (Absicht)?
Welches Verhalten zeigst du mit der Emotion?
Welche Absicht versuchst du hierdurch zu erreichen?
Würdest du deine Absicht, welche du erreichen möchtest auch auf einem anderen Weg erreichen können?
Angenommen du bemerkst, dass du jedes Mal genervt reagierst, sobald sich dein Arbeitskollege wieder über
sein langweiliges Leben beschwert. Du kannst die Geschichten nicht mehr hören und dich beginnt seine
„Opferhaltung“ zu nerven.
Welche Emotionen empfindest du im Laufe eines Tages
| Wut – ich fühle mich genervt |
Bei wem, in welcher Situation
| Sobald mein Arbeitskollege die Opferhaltung einnimmt und jammert |
Warum fühlst du diese Emotion in genau dieser Situation (Absicht)
| Ich möchte das er das Jammern unterlässt und auch mal die andere Seite sieht. |
Welches Verhalten zeigst du mit der Emotion
| Ich wirke angespannt und antworte nur kurz. Ich gehe nicht auf sein Gesagtes ein und frage extra nicht nach. Ich wende mich von ihm ab und versuche ihm zu zeigen, dass ich meine Arbeit weiter erledigen möchte. |
Welche Absicht versuchst du hierdurch zu erreichen
| Er soll aufhören zu jammern und sich nicht bei mir über sein Leben beschweren. Er soll endlich Verantwortung übernehmen und mich in Ruhe lassen. |
Würdest du deine Absicht, welche du erreichen möchtest auch auf einem anderen Weg erreichen können?
| Ich kann ihm deutlich und klar sagen, dass mich sein Verhalten stört und ob er er selbst bemerkt, dass er sich dauernd beschwert. Ich kann ihm sagen, dass ich gerne mit ihm spreche, dann aber über andere Themen. |
Du findest eine einfache Alternative, damit du die Emotion der „Wut“nicht extra benutzen musst.
Wie du dich entsprechend deines Verantwortungsbereichs von anderen abgrenzt, wird in einem späteren Artikel erscheinen.